Die Verschwörung [für das Gute] trifft sich regelmäßig – online. Wir nennen diese Treffen verschwörerisch „konspirative Treffen“. Doch eigentlich ist wenig „Konspiratives“ dran, denn jeder kann mitmachen. Und so treffen wir uns in immer unterschiedlicher Zusammensetzung – mit Menschen, die neugierig sind, die Zeit, Lust und Interesse hat.
Interesse vor allem. Interesse daran, die Art und Weise zu verändern, wie wir über Klimakrise sprechen. Denn, Leute, wir erzählen das bisher ziemlich mies, oder?
Die Verschwörung [für das Gute] ist ein Zusammenschluss aus Storytellern, Kommunikations- und Unternehmensberatern, Coaches, Psychologen und Marketingprofis mit dem Ziel, neue Wege der Kommunikation zu finden, um für mehr Klimaschutz und nachhaltiges Handeln zu werben.
Mahnungen, Verlust- und Verzichtszenarien funktionieren nicht. Nicht in den letzten 50 Jahren, seit der Club of Rome 1972 seinen Report „Die Grenzen des Wachstums“ veröffentlichte.
Also, wir müssen dringend an dieser Kommunikation arbeiten.
Wunder Punkt der Kommunikation: Narrative
Ein wunder Punkt in dieser ineffizienten Kommunikation sind sicher die „Narrative“, die wir seit Jahrzehnten anwenden. Erste Aufgabe unseres Wörkshops war daher, die Suche und das Sammeln dieser sog. „Narrative“.
Doch bevor wir ins Detail gehen und Kritik üben, sei die Frage erlaubt: Was ist eigentlich ein „Narrativ“?
Der Begriff ist derzeit sehr populär – vor allem bei Kommunikationsmanagern und Politikberatern. Fast scheint es so, dass sich „Storytelling“ abgenutzt hat und dass stattdessen „Narrativ“ jetzt das neue Modewort ist. Klingt auch irgendwie professioneller als „Story“.
Doch so einfach ist es nicht. Literatur- und Sprachwissenschaftler kennen seit Jahrzehnten den terminus technicus und verwenden diesen Fachbegriff in ganz bestimmten Zusammenhängen. Allein schon ein Blick auf Wikipedia zeigt, dass man vorsichtig mit diesem Wort umgehen sollte:
„Als Narrativ wird seit den 1990er Jahren eine sinnstiftende Erzählung bezeichnet, die Einfluss hat auf die Art, wie die Umwelt wahrgenommen wird. Es transportiert Werte und Emotionen, ist in der Regel auf einen Nationalstaat oder ein bestimmtes Kulturareal bezogen und unterliegt dem zeitlichen Wandel. In diesem Sinne sind Narrative keine beliebigen Geschichten, sondern etablierte Erzählungen, die mit einer Legitimität versehen sind.“
Anhand dieser kurzen Beschreibung wird schon klar, wieso der Begriff vor allem politisch besetzt ist. „Narrative“ sind Meta-Erzählungen, aus denen sich die Legitimität eines Staates oder der Zusammenhalt einer Gruppe an Menschen (z.B. für Religionen) ergibt.
Wichtig auch: Narrative sind in der Regel keine „Narration“. Also keine Geschichte im eigentlichen Sinne - mit einem Protagonisten und einer Handlung. Sie sind vielmehr allgemeingültige Erzählmuster wie beispielsweise „Mensch versus Maschine“, „Das gelobte Land / die auserwählte Nation“, „Reiche oben, Arme unten“ usw.
Und weil sie so „allgemeingültig“ sind, sind die meisten Narrative auch altbekannt, tief verankert und immer und immer wieder weitererzählt. So auch in Wikipedia:
„Bekannte Beispiele sind der Mythos `Vom Tellerwäscher zum Millionär´ und der Aufruf zum Wettlauf zum Mond, der in den USA starke Kräfte gebündelt und die Nation hinter einer Idee versammelt hat. Bestimmendes Element hinter einem Narrativ ist weniger der Wahrheitsgehalt, sondern ein gemeinsam geteiltes Bild mit starker Strahlkraft.“
Wikipedia ist nicht unfehlbar ist und daher weisen wir darauf hin, dass der Begriff „Mythos“ in diesem Zusammenhang leider nicht sehr hilfreich ist. Und eigentlich hier nix zu suchen hat. Einige unter euch kennen vielleicht auch den Begriff „Plot“ nach der Definition von Christopher Booker. Der nennt in seinem Buch „The Seven Basic Plots: Why We Tell Stories“ ebenso das Narrativ `Vom Tellerwäscher zum Millionär´. Mythos, Plot, Narrativ? Ihr seht, hier geht es tief rein in die Literaturwissenschaft. Aber das bringt uns leider weg noch unserer Ausgangsfrage zu den gängigen „Klima-Narrativen“. Und da wollten wir in unserem Wörkshop ja in.
Daher die Ausgangfrage: Was sind die dystopischen und utopischen Narrative, die zirkulieren, die, die Kommunikation zum Klimawandel dominieren und die uns in unseren Entscheidungen beeinflussen? Denn, so stehts auch weiter in Wikipedia:
„Mit dem verstärkten Interesse an den Neurowissenschaften und der Rolle von Emotionen und des Unterbewussten in Entscheidungsprozessen ist auch die Bedeutung von Narrativen in der öffentlichen Diskussion gewachsen.“
Also machten sich die Mitverschworenen im Januar-Wörkshop auf die Suche nach eben diesen Narrativen. Und wurden schnell fündig. Hier ein Auszug:
„Die Menschheit hat Schuld auf sich geladen. Der Mensch ist ein Sünder“: Ein sehr altes Narrativ, das uns aus der Bibel allzu bekannt ist. Wir haben die Welt kaputt gemacht, sollten daher zu Recht ein schlechtes Gewissen haben und müssen jetzt vor allem eines: büßen. Kein Wunder, dass viele Menschen keine Lust haben, sich mit dem Thema auseinander zusetzten, wenn sie dazu dann auch noch beschimpft und als Sünder abgestempelt werden.
„David gegen Goliath: Wie viel vermag ein Einzelner“? Dieses Narrativ hat zwei Seiten. Einerseits wäre es schön, wenn der kleine David – also der Einzelne oder kleine Länder („die Guten“) – etwas gegen Goliath – also großen Konzerne, mächtige Politiker, große Industrie-Staaten („die Bösen“) - ausrichten könnten. Schließlich besiegt David den riesigen Goliath mit einer List. Aber wir auch, so passiert es im Märchen. Und die Realität hat bekanntlich wenig mit dem Happy End eines Märchens zu tun.
„Nord gegen Süd / Industriestaaten versus Entwicklungländer:“ Man könnte es auch das Narrativ der „Kolonialherrschaft“ nennen. Und es setzt sich aus den beiden oben genannten zusammen: Die mächtigen westlichen Industriestaaten haben Schuld auf sich geladen, da sie auf Kosten der armen, südlichen Entwicklungsländer gelebt und diese schamlos ausgebeutet haben. Mit diesem Verhalten haben sie diese schwachen Länder sogar noch mehr in die Klimakrise hineingetrieben. Und auch heute noch können sie dem Klimawandel aufgrund ihres Wohlstandes und technologischen Fortschritts Stand halten, während arme Länder der Klimakrise schonungslos ausgeliefert sind. Natürlich ist das die Narration „klein gegen groß“, denn kleinen Länder wie u.a. dem Inselstaat Vanutu steht schon heute buchstäblich das „Wasser bis zum Halse“, während sich große Länder immer noch den Luxus leisten, die Klimakrise und ihre Folgen zum Teil zu leugnen.
„Rennen gegen die Zeit“: Auch dieses Narrativ gibt es in zwei Versionen. Entweder ist es „Fünf vor Zwölf“. Das heißt, dass uns die Zeit unausweichlich davonläuft. Oder aber es ist schon „Fünf nach Zwölf“. Dann ist die Zeit tatsächlich schon abgelaufen. In beiden Varianten hat man eigentlich das Rennen gegen die Zeit verloren.
„Früher war alles besser- Angst vor der ungewissen Zukunft, Angst vor Veränderung“: Unzählige Male wurden im Namen dieses Narrativs dreiste Lügen verbreitet. Früher war nicht alles besser. Aber in der Rückschau verklären wir die Vergangenheit zum Paradies unserer Jugend. Es kann daher gar nicht besser werden. Und so malen wir uns die Zukunft zu dunkle Dystopie, die gar nicht erstrebenswert ist (kennt man ja aus allen ScienceFiction Filmen). Lieber lassen wir also alles, wie es ist. Wer weiß schon, was die Zukunft bringt. Besser kein Wandel, als der falsche. Stillstand oder Rückschritt scheinen die sichere Option als einen Schritt in eine ungewisse Richtung wagen.
„Jung versus Alt“: ein Klassiker unter den Narrative. Der Generationenkonflikt war uns ist immer wieder Zündfunke der Auseinandersetzung. Die Alten sollten eigentlich als Weise und Lebenserfahrene von den Jungen geehrt und verehrt werden. Doch leider stellt sich heraus, dass die Generation der Boomer gar nicht so weise war und auch immer noch nicht ist. Daher tun sich die Jungen schwer mit der Anerkennung der Lebensleistung ihrer Eltern und Großeltern. Und um Rat fragen, braucht man die Alten ohnehin nicht, denn dank Globalisierung und Digitalisierung hat sich die Welt bereits so verändert, dass der Wissensvorsprung durch Erfahrung fast nix mehr wert ist. Umgekehrt sind die Alten empört, gekränkt und beleidigt. Denn schließlich haben sie ein Leben lang ihr Bestes gegeben, sich abgerackert und bemüht – um heute von den Junge mit Vorwürfen überschüttet zu werden und altklug belehrt zu werden? Der Generationenvertrag ist endgültig zerbrochen. Alt und Jung stehen sich unversöhnlich gegenüber.
„Jeder ist seines Glückes Schmied. Wer sich anstrengt, der wird belohnt“: Über Jahrhunderte hinweg galt das Glück dem Tüchtigen. Der Mensch, der viel schafft, der ehrgeizig ist, Wohlstand schafft und mehrt – er war Vorbild, erntete Lob und Anerkennung. Das Narrativ, das den Calvinismus einst groß gemacht hat, wird auch in der Klimakrise bemüht, allerdings ins Gegenteil verkehrt und daher tun wir uns schwer damit. Denn der Tüchtige ist auch derjenige, der viel Co2-Ausstoß verursacht. Schneller, höher, weiter –kann nicht mehr die Lösung sein. Wachstum allein bringt uns nicht weiter, sondern nur weiter in die Krise (und nicht in den Himmel). Aber Klimakommunikation, die auf Verzicht setzt, kann sich nur schwer gegen dieses alte Narrativ zur Wehr setzten. Ganz im Gegenteil, wir wollen es einfach nicht wahrhaben, dass man durch ein „Mehr“ nicht weiterkommt.
Bollwerk gegen wissenschaftliche Fakten
Schuldgefühle, Scham, Ohnmacht, gefühlte Hilflosigkeit und falsche Nostalgie – das sind nur einige der Narrative, die alt und altbekannt sind. Die sich festgesetzt haben in unserer Kultur, in unserer Denke und unserer Kommunikation – und die ein Bollwerk bilden gegen gut gemeinte Ratschläge und sinnvolle Argumente contra Klimakrise.
Es ist mit unter die Erklärung, warum all unsere Mahnungen, Verbote und Gebote einfach nicht fruchten. Warum wissenschaftlich solide Klimakommunikation seit über 50 Jahren scheitert. Sie scheitert an Erzählmustern, die eben weit älter sind, die sich seit hunderten von Jahren in Geschichten manifestiert haben und die wir unbewusst immer wieder hervorholen, wenn es darum geht, gute Ausreden zu finden, um eben nicht rational, nachhaltig zu handeln.
Jetzt erst recht
Und das ist unsere Aufgabe – als Verschwörung [für das Gute]. Eben diese Narrative schonungslos aufzudecken und dann aber auch Alternativ-Erzählungen zu finden, die diese Narrative vielleicht doch ein Stück weit aushebeln. Um Gehör zu finden und zu motivieren.
Wir glauben fest daran, dass das „mit der Kraft der Geschichte“ – eben mit Storytelling – geht. Und darum geht’s im nächsten Wörkshop. Wir freuen uns drauf und vielleicht bist du dabei (Termine hier).
Photo by Markus Spiske on Unsplash
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